Alternative Wirtschaftssysteme – Träumerei oder Notwendigkeit?

Nicht zuletzt die Coronakrise und, mit ihr, zahlreiche Lockdowns zeigen die Grenzen und Instabilität unseres aktuellen Wirtschaftssystems auf. Die Soziale Marktwirtschaft, als Variante des Kapitalismus, die von so vielen Staaten im Globalen Norden übernommen worden ist, hat wohl ausgedient. Aber welches System soll ihr folgen und haben Alternativen überhaupt eine Chance? 

 

Ein Fehler in der Formel

Zahlreiche Umweltprobleme, allen voran der Klimawandel, machen deutlich: Wir leben auf einem endlichen Planeten mit endlichen Ressourcen, auf dem unendliches Wachstum schlichtweg nicht möglich ist. Dieser Faktor ist in der Wachstumstheorie wohl nicht miteinberechnet worden. Ebenso wie das Wohlbefinden aller Menschen, das im Schatten der ständigen Gewinnmaximierung völlig vergessen wird, wodurch man humane Verhältnisse in vielen Bereichen vergeblich suchen muss. Aber solange es einer kleinen, aber dafür umso einflussreicheren Bevölkerungsschicht gut geht, während ein viel größerer Teil sein Leben an oder unter der Armutsgrenze fristen muss und mit nicht ausreichenden Beihilfen abgespeist wird, passt doch alles. Das scheint die aktuelle Devise zu sein. Aber wie lange noch?

Weg mit dem Wachstum

Es ist offensichtlich, dass es so nicht weitergehen kann. Die gute Nachricht: An Lösungsvorschlägen mangelt es nicht. Einer davon ist die Postwachstumsökonomie. Wie der Name schon sagt, hat man in diesem System für Wachstum keine Verwendung mehr, da dieses ohnehin in reichen Ländern nicht mehr zu mehr Wohlstand führt. Dafür setzt man hier auf Reparieren, Recyclen und Selbstversorgung statt unbedachtem Konsum. Kürzere Arbeitszeiten und ein bedingungsloses Grundeinkommen sollen Zeit für diesen verhältnismäßig höheren Aufwand schaffen. Aber für die Umsetzung der sogenannten „Wirtschaftslehre nach dem Wachstum“ bedarf es einer Wertereform und ein Umdenken von uns allen. Ob das realistisch ist? Meiner Meinung nach fragwürdig.

Ein gutes Leben für alle

Einen anderen Weg schlägt die Gemeinwohl-Ökonomie ein. Bei ihr handelt es sich immer noch um eine Marktwirtschaft – der gravierende Unterschied zur Sozialen Marktwirtschaft ist jedoch, dass es Kooperation statt Wettbewerb zwischen den Unternehmen gibt und Gewinn nicht mehr Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck ist. Welcher Zweck? Ein gutes Leben für alle. Dabei geht es die „ethische Marktwirtschaft“ etwas konkreter an. Mithilfe der Gemeinwohl-Bilanz, einem Punktesystem, wird der Beitrag zum Gemeinwohl gemessen, wodurch man es schwarz auf weiß hat, wie nachhaltig ein Unternehmen tatsächlich ist. Einen Anreiz zur Teilnahme sollen Vorteile bei Steuern und Krediten bieten, sodass anschließend nachhaltige, ethische und regionale Produkte leistbarer angeboten werden können. Mit circa 600 Unternehmen, die alle zwei Jahre ihren Gemeinwohl-Bericht veröffentlichen, findet das Prinzip bereits Anwendung in der Praxis und ist also, wie es aussieht, schon einen Schritt weiter als die doch recht theoretische Postwachstumsökonomie.

Alles nur Träumerei?

Das klingt alles schön und gut – eine Umsetzung und somit ein kompletter struktureller Wandel ist jedoch nicht in Sicht. Zu groß ist der Widerstand und vor allem unsere Trägheit, von der Bequemlichkeit unseres Lebens im kapitalistischen System abzurücken. Auch die anfängliche Euphorie eines Wandels und Aufbruchsstimmung zu Beginn der Pandemie ist schneller verflogen als erwartet. Es braucht also den Einsatz und die Ausdauer von uns allen, um die so dringende Veränderung tatsächlich voranzubringen, sodass wir unsere Welt in einen dauerhaft lebenswerteren Ort verwandeln können

Anna Fersterer, 8O, Jänner 2022

 

 

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