Zwischen Neoliberalismus und Zentralverwaltungswirtschaft: Wo finden Erdenbürger das „gute Leben“?

Kaum eine Thematik polarisiert Menschen so sehr, wie ihre Idealvorstellung eines gerechten Wirtschaftssystems. Darum ist es mir ein Anliegen, die Ideale und Vorstellungen beider Lager zu beleuchten, um die Debatte rund um dieses hochkomplexe Thema besser zu verstehen und ein persönliches Fazit zu ziehen, wo denn nun das „gute Leben“ wirklich zu finden ist. In einem Wirtschaftssystem, in welchem alle ökonomischen Prozesse akribisch vom Staat geplant werden oder einem Wirtschaftssystem, dass auf den beinahe schon mystifizierten freien Markt schwört? 

 

Ist das der Masterplan? 

Wie genau sieht nun ein Staat mit einer Zentralverwaltungs,- bzw. Planwirtschaft aus? In der Retrospektive sieht man hierbei sehr oft auf die zahlreichen negativen Aspekte zurück, krasse Einschränkungen des Individuums und keine Anreize für Eigeninitiative. Ohne Wettbewerb und Konkurrenzkampf geht auch die Produktionsleistung zurück. Wofür arbeitete ich denn noch? Zusätzlich zu den zahlreichen Vorgaben und Einschränkungen kommen natürlich auch Fehler in der Planung vor, oder Personengruppen hintergehen das System und bereichern sich selbst. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, hat die Zentralverwaltungswirtschaft sichtlich Schwierigkeiten, mit seinen unflexiblen Plänen die gesamte Wirtschaft für einen Staat durchzuorganisieren. Die Folge: Engpässe in der Versorgung und eine verzweifelte Bevölkerung.  
Doch trotz dieser langen Liste an Problemen war die Idee hinter all dem, die einer fairen Gesellschaft, frei von Klassenkampf, ohne Arbeitslosigkeit und mit vollkommener Gleichberechtigung. Keine Individuen, die sich auf Kosten der anderen immer weiter bereichern und perverse Summen Geld anhäufen. Stattdessen sollen alle Ressourcen und Dienstleistungen jedem zur Verfügung gestellt werden. Diese "idealisierte Ideologie" konnte so leider nie in der Praxis adaptiert werden. 

 

Je freier der Markt, desto besser!? 

Im starken Kontrast dazu steht der Neoliberalismus, laut dem sich der Staat zur Gänze aus allen Wirtschaftsbereichen zurückziehen soll. Staatsbesitze werden privatisiert. Hemmnisse für den Handel wie Zölle, Steuern oder Kontingente müssen weg. Ziel ist ein globaler uneingeschränkter Handel, der hochgepriesene „freie Markt“, der auf keinen Fall gestört werden soll.  
Problemen entstehen, wenn der Staat sich einmischt und in Wirtschaftsangelegenheiten eingreift. Der freie Markt reguliere sich von selbst, da es ja natürlicherweise im Interesse eines jeden Wirtschaftsakteurs ist, nach dem besten Nutzen für sich zu streben. Wird das Individuum wohlhabender und die Wirtschaft boomt, dann sickert der Wohlstand schlussendlich zu allen Bevölkerungsschichten durch.  
So jedenfalls in der Theorie. 

Die Realität zeigt oft ein anderes Bild. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf und die unendlich wachsende Wirtschaft führt zu Ausbeutung und prasst mit den immer spärlicher werdenden Ressourcen. Der blühende Kapitalismus und der menschengemachte Klimawandel gehen eng miteinander einher. Verschwendung und Ausbeutung stehen auf der Tagesordnung, ebenso wie Massenkonsum und eine superreiche Elite an der Spitze, welche unvorstellbare Summen Kapital anhäuft. So sieht in vielen Teilen der Welt die Realität aus. Hier ist schon lange was aus dem Ruder gelaufen! 

 

Österreich: Kompromissweltmeister!  

Doch was ist nun der richtige Weg? Wie Sie vermutlich bereits bemerkt haben, scheinen diese beiden Extreme keine Lösung darzustellen. Wie so oft gibt es nicht nur eine 0 oder 1. Ein ganz oder gar nicht. Es gibt zahlreiche Abstufungen und Variationen dieser so gegensätzlichen Ideologien. Man könnte im Grunde von Kompromisslösungen oder Mischformen sprechen. So etwa die Soziale Marktwirtschaft wie in Österreich, die sich irgendwo auf diesem Spektrum zwischen Planwirtschaft und Neoliberalismus befindet. Das Prinzip des freien Markts wird beibehalten, doch möchte man die Schere zwischen Arm und Reich schließen und einen fairen Wettbewerb frei von Monopolbildung gewährleisten. So greift der Staat meist aus sozialen Gründen in die Wirtschaft ein, um zu verhindern, dass alles zu sehr aus dem Ruder läuft.  

 

Den Spagat zwischen den Extremen perfektionieren 

Persönlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dies der richtige Weg zu einem „fairen“ System sein könnte. Es wird immer unterschiedliche Interessensgruppen geben und jeder Eingriff oder auch Nicht-Eingriff führt unabdinglich zur Benachteiligung mancher Gesellschaftsschichten. Auch die zuvor beschriebenen Wirtschaftssysteme sind im Grunde nur Idealisierungen dieses komplexen, aus zahlreichen Facetten und Einzelpersonen bestehenden, sich ständig verändernden Organismus, über den sich Ökonomen schon seit Ewigkeiten den Kopf zerbrechen. Die Kunst liegt darin, diese Extreme gegeneinander abzuwiegen und für jede Situation den richtigen Mittelweg zu finden, der es ermöglicht, so viele Personen wie möglich gerecht zu behandeln. So muss auf aktuelle Situationen wie etwa die COVID-Pandemie eingegangen werden, um schnell Maßnahmen zu treffen, die unserem System helfen, sich an neue Herausforderungen zu adaptieren. In einer solchen Krise sind vielleicht mehr Eingriffe des Staates erforderlich und ein kleiner Ruck Richtung mehr Staat ist legitim, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Wenn dies vorbei ist, können diese Maßnahmen wieder gelockert werden. Balance is the Key! 

Gemeinsam für Alle! 

Denn was bei diesen Wirtschaftstheorien oft untergeht ist, dass all diese Anstrengungen am Ende des Tages dazu dienen sollen, der Bevölkerung Gutes zu tun. Gerecht und fair zu sein. Nicht Geld anzuhäufen oder Macht ausüben. Es muss ein Umdenken geben. Weg von einer Einzelkämpfer-Mentalität hin zu der besten und wichtigsten Eigenschaft des Menschen, nämlich der, als Kollektiv zusammenzuarbeiten, um jedem ein Leben in Würde und Sicherheit zu ermöglichen. Zusammenhalt ist eine wertvolle Tugend und stellt die effektivste Methode dar, um mit Herausforderung umzugehen. 

Jakob Stadler, 18 Jahre, Schüler des BORG Oberndorf (8oN)

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